Demonstration: Pressemitteilung der Initiative Zivilcourage vom 28.04.2019

Am Sonntag, 28.04.2019, forderten etwa 80 Personen mit einer Demonstration durch die Münchner Innenstadt, dass die Bundesregierung ihr geplantes Verbot von sogenannten Tagelöhnerbörsen zurückzieht. Das Verbot ist Teil eines Gesetzesentwurfs aus dem SPD-geführten Bundesfinanzministerium, mit dem EU-Bürger*innen außerdem partiell der Anspruch auf Kindergeld verwehrt und ihnen der Zugang zur Grundsicherung erschwert werden soll. Die Demonstrierenden machten lautstark darauf aufmerksam, was das Gesetz für sie bedeuten würde. Außerdem protestierten sie gegen alltägliche Polizeischikanen und den oft schon praktischen Ausschluss von existenzsichernden Leistungen.

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Nach der Auftaktkundgebung an der Kreuzung Goethe/Landwehrstraße im Münchner Bahnhofsviertel, wo viele der Demonstrierenden regelmäßig auf Jobs vor allem im Bau- und Reinigungsbereich warten, ging es weiter zur SPD-Landesgeschäftsstelle am Oberanger. „Wir wollen wissen, wer sich dieses Gesetz ausgedacht hat!“ forderte ein bulgarischer Demonstrationsteilnehmer, der selbst schon seit 7 Jahren einen festen Job in München hat. Ein Kollege pflichtete ihm bei und betonte, dass sie „wie Menschen leben“ und regulär arbeiten möchten. „Doch dadurch, dass wir nicht akzeptiert werden und dadurch, dass uns die Sprache fehlt, kommen wir oft nicht dazu, normale Arbeiten zu finden. Aber wir müssen arbeiten, denn sonst verhungern wir. Und was anderes sollen wir tun, als draußen nach Arbeit zu suchen?“

Die Protestierenden stellten sich vor dem Werbeplakat der SPD zur Europawahl auf, auf dem die Aufforderung zu lesen ist: “Kommt zusammen für ein soziales Europa!“ und hielten in spontanen Redebeiträgen dem Wahlkampfslogan ihre eigene Erfahrung als EU-Bürger*innen entgegen. Mit Blick auf die Parteizentrale fragt Pauline Wagner von der Initiative Zivilcourage, die den Protest unterstützt: „Die SPD will den Menschen die Arbeitssuche auf selbstorganisierten Arbeitsmärkten verbieten und sie weiter von existenzsichernden Leistungen ausschließen – ist das eure Idee von einem sozialen Europa?!“.

Sie zeigt auf die Inhalte der Schilder, welche die Protestierenden hochhalten. Denn was darauf in mehreren Sprachen geschrieben steht, entlarvt die Wahlkampfrhetorik als leere Phrase. Ein soziales Europa sähe für die Demonstrierenden anders aus: „Platzverweise sind kein Arbeitnehmerschutz!“ – „Wir wollen in Ruhe leben“ – „Ich baue eure Häuser und darf nicht auf unsren Straßen stehen.“ – „München für Alle“ – „Wir verlieren unseren Zugang zu Arbeit“ – „Schluss mit täglicher Polizeischikane“ – „Die Gehsteige gehören allen“ – „Wir wollen legal arbeiten“ – „Ausbeutung Ja – Arbeiterrechte Nein?“.

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Die Demonstration fand im Rahmen der bundesweiten Kampagne des Netzwerks „Europa in Bewegung“ statt. Das Netzwerk rief bereits vom 1. bis 4. April zu einer Aktionswoche auf. In ganz Deutschland fanden Protestaktionen gegen das Gesetzesvorhaben statt. Das Gesetz ist eine Fortsetzung ordnungspolitischer Maßnahmen gegen sozialpolitische Probleme. Anstatt Armut und Ausbeutung zu bekämpfen, droht das Gesetz die Existenzgrundlage derjenigen, die ohnehin unter prekären Bedingungen leben müssen, zu gefährden. Am 1. Mai wollen die Münchner EU-Bürger*innen sich der Demonstration zum Tag der Arbeit anschließen und erneut ihr Recht auf menschenwürdige Existenzsicherung und Aufenthalt im öffentlichen Raum einfordern.

O-TÖNE AUS DEN REDEN DER DEMONSTRIERENDEN:

„Wir haben niemandem Leid zugefügt. Wir wollen hier nur arbeiten. Wir wollen mit den Leuten hier zusammenarbeiten. Wir wollen nicht von der Polizei gezielt ausgesucht und bis auf die Unterhose ausgezogen, in der Öffentlichkeit ehrenlos bloßgestellt werden.“

„Ich bin 36 Jahre alt und habe vier Kinder und ich weiß nicht, wie ich mit dem Geld, das ich hier verdiene, meine Kinder zur Schule schicken soll. Dann wiederholt sich wieder der Kreislauf, weil sich meine Kinder nicht weiterbilden können. Und es wird immer so weitergehen.“

„Wenn man mich fragen würde, ob ich Deutschland oder Bulgarien wählen würde, dann würde ich Bulgarien wählen. Aber man zwingt uns dazu, dadurch, dass wir in Bulgarien keine Arbeit finden, nicht gerecht bezahlt werden, nach Deutschland zu kommen und hier nach Arbeit zu suchen, um unsere Familien, die wir zurücklassen mussten, unsere Kinder, die wir zurücklassen mussten, zu ernähren und ihnen Brot zu schicken. Und jetzt wollen sie uns auch noch das Kindergeld streichen, um die Lage noch mehr zu verschlechtern. Was wollen wir hier? Wir sind Leute, die ihre Familien und Kinder zurückgelassen haben, die ihre Familien vermissen, Menschen, die schon viel zu alt sind um zu arbeiten und das alles nur, um ihre Familien zu ernähren.“

„Wir stehen dort und wir werden verscheucht. Wir stehen irgendwo anders und werden verscheucht. Wir werden verscheucht in die Hauptbahnhöfe. Und dann entstehen wieder dieselben Probleme und dann sind wieder wir schuld. An der Kreuzung werden wir verscheucht und es wird strafbar gemacht, dort zu stehen oder nach Arbeit zu suchen. Dieses Gesetz trifft nur uns und wir leiden drunter. Wo sollen wir denn sonst hin, wenn wir nicht dort Arbeit suchen können?“

„Wir möchten nicht von der Polizei wie Tiere behandelt werden. Wir möchten nicht vor den Augen aller Menschen bis auf die Unterhose ausgezogen werden. Das ist nicht menschenwürdig!“

„Wir möchten wissen, wie es sein wird, wenn dieses Gesetz verabschiedet wird. Ob es dann nicht mehr erlaubt ist, auf der Straße zu stehen und ob man dafür rechtlich verfolgt werden kann.“

„Wir möchten wissen, wieso es immer uns trifft, wieso es immer die Armen trifft, die sowieso nichts haben! Die Polizisten kennen uns alle von der Kreuzung. Sie wissen genau, dass wir nicht kriminell sind. Deswegen möchten wir wissen, warum nur wir von ihnen kontrolliert oder generell herausgezogen werden. Ich denke, sie machen es nur, um uns einzuschüchtern.“