Gegen Ausschluss und Kriminalisierung von EU-Bürger*innen – Existenzsichernde Leistungen für alle, die hier leben!

EU-Bürger*innen ohne deutschen Pass werden in Deutschland immer weiter von sozialen Rechten ausgeschlossen. In Notlagen haben sie oft keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen. Die Ausgrenzung fördert Verarmung, Obdachlosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse. Auf wachsende Armut und verschärfte Ausbeutung reagieren Bund und Kommunen zunehmend kontroll- statt sozialpolitisch. Nun soll diese Entwicklung noch verschärft werden:

1) Ausschluss von sozialen Rechten
Das Bundesfinanzministerium möchte den Anspruch auf Kindergeld u. a. für EU-Bürger*innen, die
nicht erwerbstätig sind, mit einem neuen Gesetz einschränken. Dies trifft vor allem diejenigen, die
am meisten auf das Kindergeld angewiesen sind, wie z. B. alleinerziehende Frauen, und fördert
Kinderarmut.

2) Vertreibung aus dem öffentlichen Raum
In vielen Städten werden Obdachlose in letzter Zeit vermehrt aus dem öffentlichen Raum vertrieben. Das neue Gesetz soll zudem ermöglichen, Menschen, die in Gruppen im öffentlichen Raum stehen, Platzverweise und Bußgelder zu erteilen, wenn Ihnen unterstellt wird, ihre Arbeitskraft für undokumentierte Arbeit anzubieten. Diese Vertreibungspolitik bekämpft die Mittellosen selbst, statt die Ursachen für deren Lage. Sie kann leicht von rassistischer Hetze vereinnahmt werden.

3) Generalverdacht
Die Bundesarbeitsagentur stellt EU-Bürger*innen, die Leistungen in Jobcentern beantragen, unter den Generalverdacht des Leistungsmissbrauchs. Eine Arbeitshilfe vom April 2018 schlägt eine Sonderbehandlung von EU-Bürger*innen vor. Sie zielt dabei explizit insbesondere auf Menschen aus Bulgarien und Rumänien und bedient antiziganistische Stereotype. Verdächtigte Unionsbürger*innen sollen ihren Anspruch mit besonders vielen Nachweisen belegen – jeder Nachweis wird aber gleichzeitig auch verdächtig gemacht. Zudem sollen sie besonders eng kontrolliert und für besonders viele Maßnahmen verpflichtet werden.

4) Der Fokus verschiebt sich von Sozial- zu Ordnungspolitik.
Sowohl die Arbeitshilfe wie auch das neue Gesetz fordern dazu auf, EU-Bürger*innen in prekären Lebenslagen nicht in erster Linie als Rechtsträger*innen, sondern vielmehr als Verdächtige zu behandeln. So soll das neue Gesetz die Kompetenzen von Ordnungsbehörden wie der ‚Finanzkontrolle Schwarzarbeit‘ erweitern und entgrenzen, während es grundlegende soziale Rechte weiter einschränkt. Der Schutz der Menschenwürde tritt in den Hintergrund.

Diese sozial- und ordnungspolitischen Entwicklungen drohen noch mehr Menschen von existenzsichernden Leistungen auszuschließen und in prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse zu drängen. Wir beurteilen sie als sozialpolitisch fatal. Außerdem weisen wir darauf hin, dass die Regelungen in weiten Teilen auch rechtlich unzulässig sind. Wir fordern die Rücknahme des Gesetzesentwurfes und der Arbeitshilfe sowie eine Kehrtwende in der Sozialpolitik: Alle Menschen, die in Deutschland leben, sollen hier Anspruch auf existenzsichernde Leistungen haben, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Erwerbstätigkeit. Statt Aufgaben von Strafverfolgungs- und Ausländerbehörden zu übernehmen, sollten Sozialbehörden Antragsstellende bei der Inanspruchnahme ihrer Rechte unterstützen, ihre Existenzsicherung garantieren und sie dadurch auch vor Überausbeutung schützen

Netzwerk „Europa in Bewegung“ (ALSO, BASTA Berlin, Initiative Zivilcourage / Gruppe workers‘ center München, Oficina precaria Berlín)

#EuropainBewegung


Erstunterzeichnende:

ALSO – Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg e. V.
Amaro Foro e. V.
BASTA! Erwerbsloseninitiative Berlin
Berlin Migrant Strikers
GGUA – Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V.
Initiative Zivilcourage / Gruppe worker’s center – München
Lutz Achenbach – Rechtsanwalt
Oficina Precaria Berlín

Weitere Unterzeichner*innen:

AGAB – Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürger in Bremen e. V.
Andrea Günther
Andrea Hniopek
Anne Eberle, Dortmund (DIE LINKE)
antira_muc, München
Antje Klinger
Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit, Freiburg
Attac AG „genug für alle“
Ayna Steigerwald
Birgit Sacher
Bochum-Prekär – Norbert Hermann
Carmen Glink
Carola Liebig
Christian Katz
Christian Köning (Jusos München)
Clemens Hermeler
Christoph Huylmans, Rechtsanwalt
Daniel Weißbrodt
Dominik Kladt
Elfriede Harth
Elisabeth Dörre
Eric Manneschmidt
Europa.Brücke.Münster
Frankfurter Arbeitslosenzentrum
Frostschutzengel 2.0
Förderverein Roma e.V.
Fürther Sozialforum
Gabriele Schmidt
Hannah Schultes
Heinz Pawliczek
Helga Röller
Holger Mandel
Human Aid Collective
Inge Hannemann
Initiative Bedingungsloses Grundeinkommen Frankfurt Rhein-Main
Joachim Krauß
Johanna Voß
Julia Mittermüller
Juliane Nagel (DIE LINKE)
KLIK e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
kritnet – Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung
LAG Grundeinkommen Brandenburg, Ringo Jünigk
LAG Grundeinkommen NRW, Michaela Kerstan
LOS ! Offenbach solidarisch
LabourNet Germany
LevFem
Malte Kleinschmidt
Manfred Pawlowski
Marina Mühlbauer
Markus Ostermair
Miriam Worek
Neda Deneva
Nely Konstantinova
Netzwerkrat, Netzwerk Grundeinkommen
Niklas Haupt (DIE LINKE)
NoBorder ffm
Ökumenisches Arbeitslosenzentrum Krefeld-Meerbusch e.V.
people4people e.V.
Petja Dimitrova
Polina Manolova
Ralf Peter Engelke
Regine Deutsch (Diem25)
Regionalverbund der Erwerbsloseninitiativen Weser-Ems e.V.
Ronald Blaschke
Ronja Oltmanns
Rumänisch in Berlin e.V.
Sebastian Meyer
Seminar für angewandte Unsicherheit
Solidarität City Berlin
Sozial und Schuldnerberatung
Stefan Hartmann, Berlin
Stephan Bosch
Stephan Nagel
TACHELES e.V.
TRIA – Aufsuchende mehrsprachige Beratung
Tanja Oster
Thomas Elstner
Thomas Höhne
Ursula Mathern
Volker Gerloff
Werner Moritz
Willy Voigt


Hier können Sie die Stellungnahme unterzeichnen.