Analyse der Arbeitshilfe

Die Arbeitshilfe „Bekämpfung von organisiertem Leistungsmissbrauch durch EU-Bürger“ – Ein Leitfaden zur Kriminalisierung und Ausgrenzung prekarisierter Unionsbürger*innen?!

Die Analyse als pdf-Datei

Nicht alle Menschen, die in Deutschland leben, haben Anspruch auf soziale Leistungen, auch wenn das Recht auf eine menschenwürdiges Existenzsicherung im Grundgesetz festgelegt und durch aktuelle Verfassungsgerichtsurteile bestätigt ist. Dieses Recht wird zum einen durch Sanktionen unterlaufen. Zum anderen wurden Ausländer*innen, die alleine zum Zwecke der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt sind, im Jahr 2006 von Arbeitslosengeld II und im Jahr 2013 auch von Sozialhilfe ausgeschlossen.

Dies trifft vor allem Unionsbürger*innen. Sie haben in der Regel nur dann Anspruch auf Leistungen, wenn sie erwerbstätig sind oder wenn sie ihre Arbeit unfreiwillig verloren haben, stehen aber ohne jede staatliche Absicherung da, wenn sie nicht lohnarbeiten. Die Ausschlüsse führen zur Verarmung vieler Menschen und fördern prekäre Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnisse. Ohne soziale Absicherung sind Arbeitsuchende oft darauf angewiesen, sehr schlecht bezahlte und unsichere Jobs anzunehmen, um zu überleben 1 .

Ihren bisherigen Höhepunkt erreicht diese destruktive Strategie der Leistungsverweigerung in der Arbeitshilfe „Bekämpfung von organisiertem Leistungsmissbrauch durch EU-Bürger“ der Arbeitsagentur. Die Arbeitshilfe macht Vorschläge, die nicht bindend sind, sondern Handlungsanstöße darstellen. Die Mitarbeiter*innen der Jobcenter werden darauf aufmerksam gemacht, dass Unionsbürger*innen angeblich das Sozialhilfesystem missbrauchten. Sie bekommen Informationen, wie das Problem des „organisierten Leistungsmissbrauchs“ zu erkennen sei und wie sie dagegen vorgehen sollen. Im Effekt werden sie dazu aufgefordert, alle nichtdeutschen Unionsbürger*innen unter einen Generalverdacht zu stellen und ihren Anspruch möglichst kritisch zu prüfen. Der gesamte Tenor sowie verschiedene Details der ‚Arbeitshilfe‘ erwecken den Eindruck, dass für die Verfasser*innen nicht nur das Vortäuschen falscher Tatsachen, sondern der Leistungsbezug von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft im Allgemeinen einen Missbrauch darstellt, der zu bekämpfen sei. Im Folgenden soll der Inhalt des Papiers zusammengefasst und analysiert werden.

Der Tenor: Kriminalisierung, rassistische Stereotype und unscharfe Verallgemeinerungen

Die Arbeitshilfe kriminalisiert EU-Bürger*innen, die soziale Leistungen beantragen. Sie spielt dabei auf rassistischen Klaviaturen und nutzt sprachliche Mittel der Verallgemeinerung und Unschärfe. Wenn die Verfasser*innen „rumänische und bulgarisch Staatsangehörige“, die „in ihrem Heimatland türkischsprachigen Minderheiten“ angehören, oder „aus Marokko stammende Spanier“ extra herausstellen, bedienen sie damit antiziganistische und antimuslimische Stereotype. Bereits in der Einleitung wird ein düsteres Szenario erzeugt, indem kriminalistische Begriffe wie „Tatmuster“ und „organisierter Leistungsmissbrauch“ verwendet werden (vgl. S.1). Das Papier erklärt, dass einige Jobcenter „seit längerer Zeit“ „organisierten Leistungsmissbrauch“ beobachten, nennt dann aber weder Belege für diese Aussage noch Zahlen, wie groß das angebliche Problem sei.

Stattdessen ist der gesamte Text durchzogen von sprachlicher Vagheit und Unschärfe, die sich im häufigen und durchgehenden Gebrauch von Wörtern zeigt wie „einige“, „häufig“, „nicht selten“ „manchmal“, „vor allem“, „gelegentlich“. 2 Durch das Papier ziehen sich fragwürdige Generalisierungen: Wiederholt werden Einzelfälle zu Zustandsbeschreibungen aufgebauscht.

Absurde Hinweise auf Leistungsmissbrauch

Angeblich zielt die Arbeitshilfe auf den Tatbestand, dass Personen und Organisationen den Leistungsausschluss umgehen, indem „sie den für den Leistungsbezug erforderlichen Arbeitnehmerstatus oder eine selbstständige Tätigkeit mittels falscher Bescheinigungen vorspiegeln“ (S. 2). Die Beschreibung des Problems „organisierter Leistungsmissbrauch“ deutet aber darauf hin, dass der Leistungsbezug von EU-Bürger*innen generell ins Fadenkreuz genommen wird. So gilt der Arbeitsagentur schon alleine der „verstärkte Zuzug von Rumänen und Bulgaren“, der durch die „statistische Auswertung des Einwohnermeldeamtes“ ermittelt werden soll, als „erster Hinweis organisierten Leistungsmissbrauchs“.

Verdächtig erscheint auch der „Zuzug von EU-Bürgern, die zu einem hohen Anteil bei der Antragstellung eine geringfügige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit angeben“ – obwohl das ja die Voraussetzung für einen Leistungsbezug ist. Die Aufzählung von Hinweisen auf Leistungsmissbrauch liest sich dann wie eine Beschreibung der höchst prekären, aber nicht notwendigerweise kriminellen, Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnsektor:

  1. Wechseln von größeren Arbeitgebern hin zu kleineren
  2. Arbeit im Bau-, Reinigungs- und Transportgewerbe
  3. Anstieg und Fluktuation der (geringfügig) Beschäftigten
  4. ungeschickt oder sehr einheitlich ausgefüllte Einkommens- und sonstige Bescheinigungen
  5. eine Arbeitszeiterhöhung wird in Aussicht gestellt
  6. Kündigung nach kurzer Zeit.

Zweitens sagt die ‚Arbeitshilfe‘ legitimen selbstorganisierten Strategien, die Leistungsberechtigte anwenden, den Kampf an (vgl. ebd.). So gilt es als Hinweis auf Leistungsmissbrauch, wenn Anträge besonders gut ausgefüllt sind oder Antragsstellende mehrmals von denselben Dolmetscher*innen begleitet werden.

Verdächtig sei auch, wenn Arbeitgeber*innen ihre Praxis an die Anforderungen des Jobcenters anpassten, indem sie das „Arbeitsverhältnis bei der Minijobzentrale an[melden], nachdem das Jobcenter den Antrag abgelehnt hat, weil keine Anmeldung vorlag“ oder von Barzahlung zur Überweisung des Lohnes übergehen. Besonders absurd wird es, wenn die ordnungsgemäße Anmeldung des Arbeitsverhältnisses und Abführung von Abgaben verdächtig erscheint: „Diese Vorgehensweisen (Anmeldung und Abführung) erschweren dem Jobcenter das Erkennen der Missbrauchskonstellation“. Wenn die Arbeitsagentur – nicht ohne Respekt – also von „lernenden Organisationen“ spricht, deren angeblich kriminellen Strategien sie durchkreuzen möchte, geraten eben jene Unterstützungsstrukturen in den Fokus, die in die Bresche springen, wenn die Mitarbeiter*innen des Jobcenters ihrer Verpflichtung zur Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen nicht ausreichend nachkommen. Aus dieser Perspektive wird jede legitime Unterstützung und Solidarität schnell als kriminell gebrandmarkt.

Auch Wohnverhältnisse können der Arbeitsagentur nach auf organisierten Leistungsmissbrauch hindeuten. Die angeblichen Hinweise wie „überhöhte Mieten“ und „personelle Verflechtungen zwischen Arbeitgeber und Vermieter“ deuten aber mehr auf prekäre und oft von Arbeitgebern abhängige Wohnverhältnisse hin, wie sie in Zeiten der staatlich verschuldeten Wohnungskrise leider immer ‚normaler‘ werden.

Neben diesen absurden Erkennungsmerkmalen erläutert die Arbeitshilfe mögliche Vorgehensweisen gegen Leistungsmissbrauch. Sie entwirft Strategien, die geeignet erscheinen, den Zugang zu sozialen Rechten systematisch zu erschweren.

Vorgehensweisen gegen Leistungsmissbrauch

Die Arbeitshilfe schlägt den Mitarbeiter*innen der Jobcenter vor, in verschiedenen Bereichen verstärkt aktiv zu werden: Sie sollen Anträge strenger und detaillierter prüfen, Leistungsbezieher*innen engmaschiger kontrollieren und in Maßnahmen einbinden, die die Zusammenarbeit mit anderen Behörden verstärken und nicht zuletzt sollen sie die interne Arbeitsteilung umstrukturieren. Unterm Strich greifen die Jobcenter hier (in Kooperation mit anderen Behörden) nach einer massiven Ausweitung ihrer Befugnisse.

Deutlich wird zudem, dass es nicht darum geht, die Existenzsicherung der Antragsteller*innen sicherzustellen, sondern den Kreis der Leistungsbezieher*innen möglichst klein zu halten. So zeigen die Vorschläge zum Umgang mit Antragsteller*innen zum großen Teil Möglichkeiten auf, Anträge abzulehnen oder nur vorläufig zu bewilligen. Erst werden die gesetzlichen Ausschlüsse umrissen: Besteht kein Arbeitnehmer*innenstatus, müssten die Anträge abgelehnt werden. Alle EU-Bürger*innen, die Leistungen beantragen oder beziehen, müssten der Ausländerbehörde genannt werden. Zusätzlich schlägt die Arbeitsagentur vor, bei EU-Bürger*innen mehr Nachweise zu fordern, als bei anderen Antragsstellenden. Statt über die letzten Monate, solle über die letzten fünf Jahre Nachweise erbracht werden u. a. zum Lebensunterhalt, zu Arbeitsverhältnissen, zum Krankenversicherungsschutz, zu Mietzahlungen, zu Nebenkostenabrechnungen, Mietverträge etc..3 Besteht Zweifel an den Angaben, soll die Entscheidung ausgesetzt werden, bis der Antragsteller mit mehr Nachweisen nachgewiesen hat, das ein Arbeitsverhältnis wirklich besteht.

Die Antragsstellung wird nicht nur dadurch erschwert, dass der Zeitraum, der durch die Nachweise abgedeckt werden soll, verlängert wird, sondern auch dadurch, dass die Nachweispflicht erweitert wird. Bei Minijobber*innen reichen Quittungen über Lohnzahlungen in bar nicht mehr aus. Stattdessen soll der Nachweis über Überweisungen verlangt werden. Außerdem legt die Arbeitshilfe einen Leitfaden für die Befragung der Antragsstellenden, die pauschal als Tatverdächtige behandelt werden, vor. Hier sollen eine Vielzahl von Details abgefragt werden, die von der Farbe des Transportmittels zur Arbeitsstelle bis zu den Namen und Anschriften von Kolleg*innen und Mitfahrenden reichen. Außerdem wird dazu geraten, geradezu detektivisch Informationen zur Arbeitsstelle einzuholen: Arbeitgeber*innen sollten befragt, Einsicht in diverse Unterlagen beantragt, Betriebsnummern geprüft werden etc. Gibt es Zweifel am Arbeitsverhältnis, soll die Leistungsbewilligung zeitlich verschoben werden. Hierbei wird die Beweislast dem Antragsstellers zugewiesen.

In der Folge drohen Leistungsansprüche zeitlich abzulaufen und berechtigte Anträge immer weiter nach hinten verschoben zu werden. Dass leistungsberechtigte Personen so über längere Zeit ohne Grundsicherung leben müssen, bleibt unerwähnt. Neben der Leistungsabteilung, die die Anträge überprüft, soll auch die Abteilung der Arbeitsvermittlung, die Leistungsbezieher*innen eigentlich bei der Arbeitssuche unterstützen soll, zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch umfunktioniert werden. Um sicherzustellen, dass Leistungsbezieher*innen im Land bleiben, sollen sie vom Jobcenter besonders „intensiv betreut“ werden.4 Die Arbeitshilfe verallgemeinert den Verdacht auf Leistungsmissbrauch. Der gesamte „Personenkreis“ EU-Bürger*innen soll präventiv mit besonders vielen Maßnahmen traktiert, die Teilnahme besonders „engmaschig“ kontrolliert und Ablehnungen und Fehlzeiten kritisch überprüft werden.

Zusätzlich sollen die Jobcenter und ihre Mitarbeiter*innen künftig im Stile von Geheimdiensten mit Listen bereits auffällig gewordener Arbeitgeber*innen, Vermieter*innen, Mietobjekte, Dolmetscher*innen und Notar*innen Daten sammeln. Besonderes Misstrauen gilt dabei den Dolmetscher*innen, die Antragsteller*innen begleiten. Wiederkehrende Dolmetscher*innen gelten als Hinweis auf kriminelle Strukturen, Dolmetscher*innen sollen namentlich erfasst und aufgelistet werden, Jobcenter sollen ‚fremde‘ Dolmetscher*innen abweisen und eigene Dienste nutzen. Dies stellt nicht zuletzt eine Aushöhlung des Rechtes auf Amtsbegleitung durch einen Beistand dar. Zusätzlich zu den verschärften Nachweispflichten und verstärkter ‚Betreuung‘ soll auch der Außendienst vermehrt eingespannt werden, um die Arbeits- und Wohnverhältnisse zu kontrollieren. Arbeitsstätten und vor allem Wohnadressen sollten vor Ort überprüft werden. So seien sogenannte Problemhäuser regelmäßig vom Außendienst zu kontrollieren. An dieser Stelle wird die Zielrichtung dieser Maßnahmen – die Verhinderung von Leistungsbezug – besonders deutlich: „Diese Kontrollen können sehr effektiv sein, weil sie zu unmittelbarer Abmeldung aus dem Leistungsbezug führen, falls Leistungsbezieher nicht mehr unter der dem Jobcenter angegebenen Anschrift wohnen“ (S.13).

Die Zielsetzung scheint aber über die Verhinderung von Leistungsbezug noch hinaus zu gehen. „Leistungsmissbrauch“ wird nicht nur mit Leistungsbezug gleichgesetzt, sondern auch mit der sogenannten ‚Armutsmigration‘ generell. Dies wird an den Vorschlägen zu Maßnahmen im Bereich Wohnen deutlich. So trägt die vorgeschlagene „Prüfung, ob bei zwei Wohnungen in einer Wohnung auch zwei Strom und/oder Gaszähler bestehen und ob Heizkosten getrennt abgerechnet werden“ und die „Prüfung der Teilungsgenehmigung der Bauaufsicht“ sicherlich keinen rechtlich relevanten Grund zur Entscheidung über die Anspruchsberechtigung bei. Das gleiche gilt, wenn andere Behörden „bei gesundheits- oder sicherheitsrelevanten Umständen (z. B. unzulässige Nutzung von Mehrfachsteckdosen oder Verlängerungskabeln, Hygienemängel)“ informiert werden sollen (S.9). Auch wenn die Arbeitsagentur darauf hinweist, dass Problemimmobilien frühzeitig erkannt werden können, indem beim Zwangsversteigerungsportal nach Immobilien gesucht wird, ist dies weder durch ihren Versorgungsauftrag noch durch die Prüfung von Anträgen zu erklären.

Gerade in Bezug auf den Umgang mit prekären Wohnhäusern wird der Versuch deutlich, im Zuge des vorgeblichen Kampfes gegen „Sozialhilfemissbrauch“ die Jobcenter zu exekutiven Kontrollbehörden umzubauen. Die Jobcenter als Sozialbehörden sollen Aufgaben und Befugnisse von Zoll-, Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr übernehmen. Beispielsweise wiest die ‚Arbeithilfe zwar auf das Recht der Bewohner*innen hin, „den Zutritt zur Wohnung zu verweigern“ (S.9), dies könne aber umgangen werden: „Das Betreten der Wohnung als Zeuge (z. B. für die Polizei oder das Ordnungsamt)“ sei „zulässig“. In der Tat steht die Verstärkung der Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Fokus des Papiers. Es ist von einer engen Zusammenarbeit die Rede, „um den organisierten Leistungsmissbrauch besser erkennen und bekämpfen zu können“. Dazu wird ein „runder Tisch“ zur Vernetzung der verschiedenen Akteure vorgeschlagen.5 Die Jobcenter sollten zudem auch die Sozialgerichte in ihre Aktionen zur Bekämpfung von Missbrauch einbeziehen, indem sie vor vermehrten Klagen warnen und über die Hintergründe informieren. So wird faktisch die Neutralität der Gerichte untergraben. Nicht zuletzt schlägt die Arbeitsagentur vor, „Spezialteams zur Betreuung und evtl. auch Vermittlung des Personenkreises“ einzurichten. EU-Bürger*innen sollen also nicht mehr im ‚normalen‘ Betrieb der Jobcenter mitlaufen, sondern eine spezielle Behandlung erfahren. Durch diese Abspaltung und Ungleichbehandlung fänden rassistische Stereotype ihren Ausdruck in institutioneller Diskriminierung.

Schluss

Die Arbeitshilfe stellt EU-Bürger*innen, die in Deutschland soziale Leistungen beantragen oder beziehen, unter pauschalen Straftatverdacht. Die Hürden bei der Antragsstellung werden erhöht und die Bewilligungen zeitlich verzögert. Leistungsanträge werden zudem als Anlass genommen, um gemeinsam mit den Strafbehörden gegen prekären Wohn- und Arbeitsverhältnisse vorzugehen. Das wichtigste Ziel besteht augenscheinlich darin, zu verhindern, dass EU-Bürger*innen ihre sozialen Rechte wahrnehmen. Es geht nicht um die Unterstützung von Menschen in Notlagen, sondern um ihre Ausgrenzung und Vertreibung. Eine Unterstützung läge darin, ihren Anspruch auf eine menschenwürdiges Existenzsicherung in den Fokus zu stellen und nicht ihre Verfolgung als potenzielle Kriminelle. Die Arbeitshilfe entpuppt sich so als ein Baustein in dem Projekt, Sozialbehörden zu Abschreckungs-, Grenz- und polizeiähnlichen Ermittlungsbehörden auszubauen. Diese sozial- und migrationspolitischen Entwicklungen haben nicht zuletzt auch die weitere Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und eine erneute Ausweitung des Niedriglohnsektors zum Effekt.

Statt die Antragstellung weiter zu erschweren, müssten die Sozialbehörden dringend untersuchen, auf welche Arten und Weisen institutioneller Rassismus dazu führt, dass Menschen in Deutschland ihre grundlegenden Rechte vorenthalten werden – auch in den Jobcentern und Arbeitsagenturen. Diese Ausschlussmechanismen müssen erkannt und bekämpft werden.

Das Problem stellt nicht der Leistungsbezug prekarisierter Migrant*innen dar, sondern die organisierte Leistungsverweigerung durch deutsche Behörden.

Netzwerk Europa in Bewegung, 2019

Die Analyse als pdf-Datei

  1. Der Anteil migrantischer Arbeitskräfte in Jobs für gering Qualifizierte beträgt in den EU und OECD-Staaten im Durchschnitt 25 %, in Deutschland 40 % (FR, 11.12.2018).
  2. Weitere Worte im Text, die wie Nebelkerzen funktionieren: „seit längerer Zeit“, „überwiegend“, „manchen“, „vielfach“, „offensichtlich“, „in vielen Fällen“, „z. B. Rumänen und Bulgaren“, „in anderen Fällen“, „oftmals“, „in manchen Fällen“, „bisweilen“, „vermutlich“, „nicht immer“, „in der Regel“, „insbesondere rumänische und bulgarische“, „in Einzelfällen“, „fast immer“, „oft“, „meist“, „insbesondere“, „des Öfteren“,“drastisch gestiegener“, „zu einem hohen Anteil“.
  3. Anforderung von Nachweisen nach Anlage 1: Schulbescheinigung, Nachweise über Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz der letzten 5 Jahre oder seit Einreise, Anmeldung und Abmeldungen des AG zur Einzugsstelle z.B. Minijob-Zentrale, Anmeldung des Arbeitgebers zur Unfallversicherung, ggf. Kündigung des letzten Beschäftigungsverhältnisses, Vordruck zu Angaben des Arbeitgebers. Beschreibung der selbstständigen Leistungen inkl. zeitlicher Umfang und Organisationsablauf, Gewerbeanmeldungen, steuerliche Anmeldung, abschließende Entscheidung des Finanzamtes zum Kleinunternehmerstatus, abschließende Entscheidung des Finanzamtes zur Nutzung des Vordrucks Einnahme-Überschuss-Rechnung, Auflistung der Kundenrechnungen, Nachweis über tatsächliche Einnahmen und Ausgaben, Nachweise über Beschaffung der Betriebsausstattung, Nachweise über Darlehen für Betriebsvermögen, Mietverträge seit Aufenthaltsbeginn oder 5 Jahre Nachweise über Mietzahlungen, Nebenkostenabrechnungen der letzten 5 Jahre, Nachweis über Anmeldung beim Energieversorger.
  4. „Beim organisierten Leistungsmissbrauch kehren die Leistungsbezieher nach Bewilligung der SGB II-Leistungen oftmals (sic!) in ihr Heimatland zurück, ohne das JC zu informieren. Sie reisen wieder ein, sobald sie einen Vorsprachetermin beim JC haben. Um dieser Form des unrechtmäßigen Leistungsbezuges entgegenzuwirken , empfiehlt sich eine intensive Betreuung des o. g. (sic!) Personenkreises durch den Bereich Markt und Integration.“ (S. 13)
  5. Teilnehmen sollen neben der Bundesagentur für Arbeit das Hauptzollamt, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Ausländerbehörde, das Gewerbeamt, das Einwohnermeldeamt, das Katasteramt, die Feuerwehr, das Finanzamt, das Kraftfahrbundesamt, die Mini-Jobzentrale und die Familienkasse.